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Die Schönheit der Räume

Bitte hör auf, von Schlimm City zu reden. Sobald was Politisches läuft, zappst du doch zu MTV! Stimmt. Entweder das, oder ich gehe raus, in den Stadtraum, und mache ein Foto. Von mir. Die Stadt selbst will ich gar nicht mit draufhaben. Ich mal mir dann schon nen schönen Hintergrund. Und genau das, daß wir selber sichtbar sein sollen, aber NUR wir, allein, ohne den Stadtraum, in dem wir leben, das nenn ich die Tragödie der Sichtbarkeit. Und in welchem Teil der Tragödie sind wir? Äh, ich glaube, gleich kommt das sozial retardierende Moment. Nämlich hier, in diesem stillgelegten Kaufhaus, in dem alles spürbar ist, was gerade noch da war, an Leben. Die Büroeinrichtung, das schwarze Brett für die Mitarbeiter, die Abhöranlage im Zimmer des Kaufhausdetektivs. Sogar die Rolltreppen rollen noch, aufwärts, abwärts. Und doch ist das Kaufhaus stillgelegt, und die Idee des Kaufhauses gleich mit, ersetzt durch die Idee der Shopping Mall. Und aus der, das wissen wir, soll man nie wieder rauskommen. Darüber hast du nachgedacht, in Schlimm City? JA! Und ist das nicht die Chance, für Theater, in dieser Gegenwart? Eine Beziehung zum öffentlichen Raum herstellen, dieser politischen Bühne, die langsam verschwindet? Die Innenräume in den Theatern mit den Räumen da draußen zusammenbringen? Oder meinetwegen auch nicht zusammenbringen, meinetwegen sollen sie auch gern ihren Abstand behalten. Und doch könnten die Logiken, die Räume heute überhaupt ausmachen, auch hier drinnen vorkommen. Das Gefühl, in einem Kaufhaus zu stehen, das so abgewrackt und nutzlos ist wie ich. Das klingt nicht nach Ihnen, haben Sie den Satz billig gekauft? Na klar. Schon gut, schon gut, ich halte den Mund. Und mach weiter. Mit dem Warten. Auch ich warte. Wie diese Stadt. Auf irgendwas. Und leidet die Schönheit der Räume, während sie warten?

Entstanden für die Dokumentation des Festivals Schlimm City, Ringlokschuppen Ruhr, September 2011.

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